Diskussion

Wir werden hier in Kürze auf der Diskussionsseite die Kontroverse präsentieren, die sich beinahe zwangsläufig nach der Präsentation des Niederrheinimpaktes eingestellt und sich – wie zu erwarten – an dem Komplex Impaktschlacke – Industrieschlacke festgemacht hat. Wie auf unserem Beitrag auf der Lunar & Planetary Science Conference LPSC bereits angesprochen, spielt in einer bedeutenden Industrie-Region wie am Niederrhein die Diskussion von typischen Verwechslungen ein wichtiges Thema, obgleich im konkreten Fall Funde von Schlacken und fremde Analysen davon bei unseren Impaktbefunden mit meteoritischem Material und Schockeffekten praktisch keine Rolle spielen, und solche Schlacken tatsächlich aus der Industrie stammen können. Das gilt insbesondere für den Fall, dass solche Funde von fachfremden Laien zur Untersuchung gegeben werden. Wir werden nicht ganz umhin kommen, kurz einen „einschlägigen“ Blog mit sattsam bekannten,“superklugen“ Internet-Beiträgen selbsternannter Impakt-„Experten“ anzusprechen, die man als Witz abtun könnte, wenn es nicht so traurig wäre, dass sich mittlerweile auch ein Wissenschaftler darunter gemischt hat.

Diese Kontroversen um neu postulierte und präsentierte meteoritische Impakte hat eine fast hundertjährige Tradition, und vielleicht ist es ganz lehrreich, hier einmal den Beitrag zum Thema auszugsweise zu bringen, der auf der Internetseite www.impaktstrukturen.de schon vor längerer Zeit platziert wurde.

Anfang der 60er Jahre begannen Wissenschaftler, den Impakt als einen beachtenswerten geologischen Prozess auf der Erde und anderen festen Planeten und ihren Monden anzusehen, und Ende der 70er Jahre formulierte Eugene Shoemaker, unbestritten der Pionier der planetaren Impaktforschung, den Satz, daß der Impakt vielleicht der wichtigste geologische Prozess in unserem Planetensystem sei. Zeugnis davon geben aus dieser Zeit z.B. die beiden Bände Shock Metamorphism of Natural Materials (French, B.M. and Short, N.M., eds.), Mono Book Corp., Baltimore, 1966 undImpact and Explosion Cratering (D.J. Roddy, R.O. Pepin, R.B. Merrill, eds.), Pergamon Press, 1977.

Einen Impakt kann es überall geben
Einen Impakt kann es überall geben.

Auf der anderen Seite verweigerten viele Geowissenschaftler, insbesondere aus der Geologie, strikt eine Akzeptanz dieser neuen Erkenntnisse und betrachteten Impaktstrukturen als etwas ziemlich Obskures. 1953 erschien in der angesehenen Zeitschrift Bull.Am.Assoc.Petrol.Geol., vol.37, ein über 30 Seiten langer Artikel von D. Hager über den Barringer Meteorite Crater in Arizona, in dem dieser, auch von den meisten Geologen anerkannte, Impaktkrater erneut als endogene Struktur verteidigt wird. Für den Krater wird eine „Explosion“ abgelehnt und stattdessen ein grabenartiges Einsinken in Folge von Evaporitlösung postuliert – eine häufige Beobachtung in der dortigen regionalen Geologie. Die in großen Mengen um den Krater verstreuten Eisenmeteorite führt Hager auf einen jüngeren Meteoritenschauer zurück und betrachtet ihr Auftreten dort als reinen Zufall.

Eine endogene Entstehung für die meisten, Anfang der 80er Jahre etablierten terrestrischen Impaktstrukturen postulierte seinerzeit auch ein Professor der Geologie aus Neuseeland in einem langen Artikel in der Zeitschrift „Die Naturwissenschaften“. Auch der Meteor-Krater in Arizona wurde nicht verschont; in diesem Fall sind die Meteorite Material aus dem tiefen Erdmantel. 1964 schrieb Professor G.C. Amstutz in seinem Lehrbuch „Sedimentology and ore genesis, vol.2 (Elsevier)“ den bemerkenswerten Satz: “ … as recently seen when the myth of flying saucers and of meteor impact craters swept around the world and even affected the scientists“ [… wie man kürzlich gesehen hat, als der Mythos der fliegenden Untertassen und Meteoritenkratern um die Welt schwappte und selbst Wissenschaftler davon befallen wurden.] (!!!).

Zur selben Zeit fand eine heftige Auseinandersetzung über die Entstehung des Ries-Kraters in Süddeutschland statt, nachdem Shoemaker und Chao in Suevit-Brekzien die Hochdruckmodifikationen des Quarzes, Coesit und Stishovit, nachgewiesen hatten und – nach 100 Jahren einer Deutung als Vulkan – eine Genese als Impaktstruktur für die zutreffende Lösung des sog. Ries-Problems hielten. Der aufs heftigste vorgetragene Einwand der Geologen: die Konstellationen der regionalen Geologie. „Der miozäne Ries-Krater liegt inmitten der süddeutschen jungtertiären Vulkanlandschaft, er liegt auf einem tektonischen Lineament, im Scheitel einer Grundgebirgsaufwölbung, an der Grenze einer regionalen Faziesscheide … “ Dieses und mehr wurde immer wieder vorgetragen, auch noch, als kein Zweifel mehr an der extraterrestrischen Genese bestehen konnte.

Noch einmal artikulieren sich der Widerstand und die Argumente der regionalen Geologie gegen das Ries als Impaktstruktur: 1987, auf dem Impakt-Workshop in Parys (Südafrika), steuert der nicht eben unbekannte Prof. Nicolaysen (Johannesburg) einen Beitrag bei, in dem für die einander benachbarten Impaktstrukturen Ries und Steinheimer Becken erneut eine regionalgeologische Besonderheit gesehen, eine Assoziation an regionale tektonische Strukturen betont und letztlich wiederum eine endogene Entstehung für wahrscheinlich gehalten wird. Aber die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. 2003, auf der Tagung der Geological Society of America (GSA) in Seattle, postulierte R.A. Zimmermann wiederum eine endogene Entstehung des Ries-Kraters durch explosiven Vulkanismus: http://gsa.confex.com/gsa/2003AM/finalprogram/abstract_60058.htm . 

Im Spiel Impakt gegen endogene Struktur wird immer wieder und auf der ganzen Welt die regionalgeologische Karte ausgespielt – ohne jeden Wert. Der Impakt auf einer Planetenoberfläche ist ein statistischer Prozeß, und ein einschlagendes Projektil kümmert sich nicht im geringsten um die betroffene regionale Geologie (und die regionalen Geologen). Regionale gravimetrische und geomagnetische Anomalien, sich kreuzende tektonische Störungen, regionale Faziesgrenzen, Dome, Becken, Vulkanismus, Salzdiapirismus –

wohin soll der arme Meteorit fallen, um die Geologen nicht zu verwirren?!